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AfA Treptow-Köpenick

Kleine Geschichte des 1. Mai

Bildung

von Dr. Ursula Walker

"Drei mal acht Stunden!" - Das war vielerorts die Losung, die die Menschen in der Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Straße trieb. Was sollte das heißen?
Es war die Forderung nach einer Verkürzung der Arbeitszeit, damit nach acht Stunden Arbeit noch acht Stunden für Freizeit und acht Stunden für das Schlafen blieben. Die Arbeitsrealität sah in dieser Zeit ganz anders aus. In den Fabriken und Manufakturen arbeiteten die Menschen zumeist mehr als 12 Stunden und das unter schwersten Arbeitsbedingungen und einer Bezahlung, die kaum für die Sicherung des Lebens reichte.

Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wurde immer häufiger die Forderung nach einer Verkürzung des Arbeitstages erhoben und dafür in den Streik getreten, so bereits 1840 in Neuseeland und 1856 in Australien. Auch in vielen amerikanischen Städten wurde am sogenannten "moving day", dem Tag, an dem traditionell neue Verträge abgeschlossen wurden, demonstriert. Die Proteste waren für die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht ohne Gefahren. Die Arbeitgeber ließen die Streiks mit Hilfe von Polizei und Ordnungsbehörden oft gewaltsam niederschlagen und setzten Streikbrecher gegen die Demonstranten ein. Es gab Verhaftungen und mitunter auch Tote. So 1886 auch in Chicago, wo auf einer solchen Kundgebung auf einem zentralen Platz, dem "Haymarket", eine Bombe explodierte und viele Menschen verletzte, von denen einige starben. Nach Schilderungen der Polizisten waren die Verantwortlichen Anarchisten. Sechs von ihnen wurden später hingerichtet, wobei umstritten blieb, ob sie es wirklich waren. Dieser Vorfall gilt bis heute als eine der "Wurzeln" der 1. Maibewegung.

Doch nicht nur in Amerika, auch in Europa demonstrierten die Menschen für eine Verbesserung ihrer Lage. Auch hier reagierten viele Unternehmer mit Entlassungen und schwarzen Listen. In einigen europäischen Ländern führten die Nöte der Arbeiterschicht zu Zusammenschlüssen von Arbeitervereinen und Assoziationen. In Deutschland gaben sie schließlich den Impuls zur Gründung einer eigenen Partei, dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein, der 1863 zum Ausgangspunkt der Organisationsgeschichte der späteren SPD wurde. Die Verbesserung der Lage der Arbeiterschicht wurde hier zu einem zentralen Programmpunkt und blieb es bis heute. So wurde der Achtstundentag bereits 1869 im Eisenacher Parteiprogramm festgeschrieben. 1889 wurde der 1. Mai vom Gründungskongress der "Zweiten Internationalen" als "Kampftag der Arbeiterbewegung" proklamiert. Sozialdemokraten und Gewerkschaften bildeten die zentralen Schubkräfte für die Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts. Das machte sie konservativen Kräften verdächtig. In der Zeit von 1878 bis 1890 standen sie unter dem Druck der Sozialistengesetze, die ihren Handlungsrahmen deutlich begrenzten.
Nach der Abschaffung dieses Verbotsparagraphen beschlossen die Sozialdemokraten auf ihrem Parteitag 1890, den 1. Mai als dauerhaften Feiertag einzufordern. Auf den Maiprotesten kamen in diesem Jahr in vielen Städten mehrere 10.000 Menschen zusammen, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Die zentrale Forderung blieb der Achtstundentag. Diese Forderung tatsächlich durchzusetzen dauerte jedoch noch einige Jahre.

Der Erste Weltkrieg stellte das Anliegen im Dunst von Militarisierung und „Burgfrieden“ zunächst ins Abseits. Erst mit Gründung der Weimarer Republik und der Demokratisierung der deutschen Gesellschaft gelang es der SPD- USPD- Übergangsregierung, den Achtstundentag festzusetzen. Der 1. Mai wurde wenig später durch die Nationalversammlung als Feiertag beschlossen. Allerdings galt diese Entscheidung nur für das Jahr 1919 - eine dauerhafte Deklarierung gelang während der gesamten Zeit der Weimarer Republik nicht. Dennoch gab es an jedem 1. Mai Demonstrationen und Festivitäten, wobei Sozialdemokraten und Kommunisten durchaus unterschiedliche Akzente setzten. Insgesamt verlor der Tag aber durch die Zersplitterung der Arbeiterbewegung an politischem Gewicht, was sich auch an dem Mitgliederverlust der Gewerkschaften zeigte.

Eine der wichtigsten Errungenschaften der 1. Maibewegung, der Achtstundentag, wurde 1923 auf Druck der Arbeitgeberverbände wieder ausgehebelt, was für Sozialdemokraten und Gewerkschaften eine Niederlage darstellte. Die zunehmend instabile Lage der Weimarer Republik in den späten Zwanziger Jahren zeigte sich auch auf vielen Maidemonstrationen, so auf dem sog. „Blutmai“ in Berlin 1929. Es kam hier nach heftigen Auseinandersetzungen zwischen KPD und Polizei auch zu Schusswechseln, in deren Folge über 30 Menschen starben. Soziale und politische Unruhen und Konflikte blieben bis zum Ende der Weimarer Republik ein bestimmender Faktor.

Mit der Beendigung der ersten deutschen Demokratie am 30. Januar 1933 kam auch die Tradition des 1. Mai an ihr vorläufiges Ende. Wenige Monate nach der Machtübergabe an Hitler wurden SPD und Gewerkschaften verboten. Den 1. Mai instrumentalisierten die Nationalsozialisten als „Feiertag der nationalen Arbeit“ für propagandistische Zwecke, um mit pompösen Aufmärschen und Paraden das eigene System zu stützen.

Seinen ursprünglichen Charakter als Demonstrationstag für Arbeitnehmerrechte hatte er damit verloren. Vereinzelt wurden kleine 1. Maifeiern als Widerstandsaktionen begangen – allerdings unter großen Gefahren. Unter den vielen Opfergruppen des menschenverachtenden NS- Systems befanden sich auch viele Frauen und Männer aus SPD und Gewerkschaften.

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgte der 1. Mai zwei Entwicklungspfaden. In der DDR wurde der Tag als „Internationaler Kampf- und Feiertag der Werktätigen für Frieden und Sozialismus“ zum Staatsfeiertag erkoren, an dem aufwändig durchorganisierte Aufmärsche und Paraden stattfanden. Bis Mitte der Siebziger Jahre gehörten auch große Militärparaden dazu. Damit diente der 1. Mai in der DDR in erster Linie der Selbstdarstellung des Staates und erhielt damit vor allen Dingen eine Legitimationsfunktion. Er unterschied sich damit in seiner Entwicklung von den Maifeiertagen in der Bundesrepublik, wo der 1. Mai ebenfalls als offizieller Feiertag festgeschrieben wurde. Der Achtstundentag war bereits zuvor vom Alliierten Kontrollrat bestätigt worden.

In der Bundesrepublik übernahm der Deutsche Gewerkschaftsbund die Federführung. Eine der ersten Forderungen betraf den Ausbau der Mitbestimmungsrechte. In den Fünfziger und Sechziger Jahren folgten weitere Themen, die an die Traditionslinie der Weimarer Republik anknüpften. Die Fünf- Tage- Woche, Lohnfortzahlung, gleiche Bezahlung für Frau und Mann sowie die Sicherung von Arbeitsplätzen gehörten dazu. Die Maikundgebungen erhielten wieder Zulauf. Auf einigen Kundgebungen im Jahr 1965 kamen bereits wieder mehr als 180.000 Menschen zusammen.

Die SPD hat die Aktionen des DGB durch Unterstützungsaufrufe und eigene Maifeiern in vielen Orten begleitet. In den siebziger und achtziger Jahren erweiterte sich der Kanon auf Forderungen hinsichtlich Bildung, Chancengleichheit, Partizipation und Ausweitung der Mitbestimmungsrechte.

Die Maiaufrufe der Gewerkschaften variierten und orientierten sich zum einen an den veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen, zum anderen aber auch an darüber hinausgehenden aktuellen Themen. So drehten sich mit Blick auf die Stationierung von Mittelstreckenraketen zu Beginn der achtziger Jahre viele Aufrufe um das Thema Frieden und in der weiteren Entwicklung um viele europäische Fragen.

Seit der Wiedervereinigung wird der 1. Mai wieder gesamtdeutsch begangen. In diesem Jahr steht er für „Gute Arbeit für Europa – Gerechte Löhne, Soziale Sicherheit“ und damit im aktuellen Kontext von Fiskalpakt und Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM).

Der 1. Mai ist bis heute für das Thema „Arbeitnehmerrechte“ von hoher Symbolkraft. Historische Brüche, schwankende Teilnehmerzahlen und politische Bagatellisierungsversuche haben daran im Grundsatz nichts geändert.
In Zeiten zunehmender Prekarisierung der Arbeit, schwindender sozialer Sicherung und steigender Armut mit allen schon lange prognostizierten Konsequenzen für die soziale Entwicklung der Gesellschaft bleibt es eine wichtige Aufgabe dieses Tages, auf die drängenden Fragen hinzuweisen.

 
 

Arbeitslosen-Frühstück

Jeden 2. Samstag im Monat lädt die AfA Treptow-Köpenick herzlich zum Arbeitslosenfrühstück ein. Seit mehr als einem Jahr finden unsere Gäste hier ein Forum für Rat, Diskussion und Gespräche. Ort: Ansprechbar, Siemensstraße 15/Ecke Deulstraße in 12459 Berlin- Oberschöneweide. Zeit: 11.00 - 13.00 Uhr Nächster Termin: 14.05.2016 Lageplan

 

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